ZUM 2. ADVENT „DER ZAUBERSPIEGEL“ VON Roland Kübler

5. Dezember 2013 | Kategorie » Blog, Zitate

„In der Geschichte „Der Zauberspiegel“ von Roland Kübler begegnet das Mädchen Enea einer Zauberin und erweist ihr einen großen Dienst. Als Gegenleistung erfüllt ihr die Zauberin viele Wünsche. Aber Enea wird trotz des Gabensegens immer unglücklicher. Hier ein Ausschnitt aus der Geschichte:

„“Fehlt irgendetwas in deinem Schloss? habe ich etwas vergessen?“ Die Zauberin musterte sie aufmerksam. – „Nein, nein“, sagte Enea, „es ist alles, wie ich es mir gewünscht habe, nichts fehlt. Nur, ich bin wütend, ärgerlich und missmutig und weiß nicht, warum! Kannst du mir helfen?“ – Die Zauberin überlegte lange. „Es gibt vieles, was ich dir erfüllen kann. Aber es gibt auch einiges, das du dir selbst erfüllen musst. Es gibt keinen Zauber, der die Unzufriedenheit aus deinem Herzen vertreibt, und keinen geheimen Spruch, der Missmut in Fröhlichkeit verwandeln könnte.“ – „Dann ist mir also nicht zu helfen?“ flüsterte Enea traurig. – „Meine Hilfe kann ich dir schon anbieten“, erwiderte die Zauberin ernst, „aber ich kann dich nicht mit meinem Zauber zufrieden und fröhlich machen. “ – „Wie willst du mir dann helfen?“, klagte Enea und sprang verzweifelt auf. – „Ich werde dir meinen Spiegel geben „, sagte die Zauberin und griff unter ihren weiten Umhang. — Enea ist vom Zauberspiegel zunächst enttäuscht. Sie sieht darin ein kleines Kind mit trotzigen Augen, hängenden Mundwinkeln und bösen, steilen Falten auf der Stirn. Langsam erkennt sie, dass sie sich selbst darin sieht, so wie sie im Augenblick wirklich ist. – Nach Überwindung des Schocks macht sich Enea auf eine lange Reise, erlebt Gutes und Schlechtes, findet Freunde und Feinde. Immer wieder schaut sie zwischendurch in den Spiegel und freut sich, wie das kleine Kind darin wächst, älter und reiner wird. Nach langen Jahren trifft sie die Zauberin wieder: „Ich bin froh, dich hier zu treffen. Ich will dir danken und dir deinen Spiegel zurückgeben. Er hat mir sehr geholfen.“ – “ Nicht der Spiegel hat die geholfen! Er hat dir gezeigt, was du sowieso gewusst hast. Du wolltest es nur allzu oft nicht wahrhaben“, sagte die Zauberin. „Komm, schau noch ein letztes Mal hinein.“ – Ein Gesicht blickte Enea ernst und offen an: das Gesicht eines kleinen Kindes, eines Mädchens, einer Frau …. und ein wenig meinte sie auch die weisen Züge der Zauberin zu erkennen. Und doch war es nur ihr eigenes Gesicht.“

Elisabeth Lukas